Warum eigentlich wieder Armenien?

Dem aufmerksamen Leser wird vielleicht aufgefallen sein, dass wir schon einmal in Armenien  waren. Warum das so ist erklärt der folgende Text

Das Pech von Mashad,

 

Der Iran hält uns fest. Statt der geplanten 2 Wochen verbringen wir einen ganzen Monat hier. Es ist eine schöne Zeit - doch nun zieht es uns weiter. Das Visum für Usbekistan und Tajikistan haben wir bereits im Pass. Das fehlende Puzzelstück, das Visum für Turkmenistan, wollen wir in Mashad, der letzten großen Stadt vor der turkmenischen Grenze, abholen. Nach einem Ritt durch die Wüste erreichen wir endlich unser letztes Ziel im Iran. Auf einem Campingplatz lernen wir Mahmmut und seine Familie, seine Frau Fatima und seine beiden Söhne Martin und Mortesa, kennen. Sie laden uns zu sich nach Hause ein. Wir verabreden uns für den nächsten Tag, 16.00 Uhr und speichern seine Adresse im Navi. Nach den doch anstrengenden letzten Tagen in der Wüste freuen wir uns auf einen Tag Pause, denn das Visum können wir erst in zwei Tagen abholen. Wir schlafen endlich einmal wieder aus. Doch als Thomi sich von der Matte aufrappelt, lehnt er sich noch im Halbschlaf auf das Navi und der Display geht kaputt. Es lässt sich nicht mehr bedienen und uns wird klar, der Pausentag ist uns nicht gegönnt. Also packen wir alles zusammen und machen uns auf Richtung Innenstadt. Erst einmal Stadtplan besorgen. Dann, was im Iran eine schier unmögliche Aufgabe ist, einen Sony Handyladen finden. Wir fahren Kreuz und Quer, fragen uns im Bazar durch, sind verzweifelt. An einer großen Kreuzung stehen wir an der Ampel - und siehe da, ein Sony Logo. Unsere Rettung. Die Reparatur soll uns .100 Euro kosten. Nächstes Problem. Unser Bargeld ist so gut wie aufgebraucht. 110 Euro brauchen wir noch um die Turkmenen zu bezahlen. Mit der Mastercard kann man im Iran nichts abheben. Manchmal kann  man mit Teppichhändlern oder Hotels einen Deal machen. Also los. Wir fahren von Hotel zu Hotel. Kein Glück. Kein Geld. Doch dann entdecken wir im Augenwinkel andere Touristen. Und tatsächlich, ein Franzose hilft uns aus und gibt uns im Vertrauen, dass wir ihm das Geld zurück überweisen, 100 Euro auf die Kralle. Zurück zum Handyladen. Morgen Nachmittag können wir es abholen. Nächste Aufgabe: Finde die turkmenische Botschaft ohne Navi und nur mit einem hundsmiserablen Touristen-Stadtplan. In der Hitze und dem dichten und verrückten Verkehr Mashads eine nervenzehrende Aufgabe. Doch wir finden sie. Gut, dann wissen wir schonmal, wo wir morgen hinmüssen. Nächste Aufgabe:  Mahmmut finden. Thomi erinnert sich noch vage an die Lage seines Hauses und wir wissen, dass er Mechaniker ist. In den folgenden Stunden fragen wir uns in den Strassen nach Mahmmut den Mechaniker durch und landen bei drei Mahmmut-Mechanikern. Aber nie ist unserer dabei. Einen letzten Versuch wollen wir noch starten, fahren noch eine Strasse weiter und siehe da, Martin kommt uns entgegen. Was für ein Glück - gefunden! Und dass auch noch fast pünktlich! Sollte die Pechsträhne nun etwa vorbei sein?

Dieses Pech ist nichts im Vergleich zu dem, was uns am nächsten Tag erwartet.

Wir stehen früh auf, um rechtzeitig an der Botschaft zu sein. Die Nacht haben wir in Mahmmuts Haus verbracht. Unser Gepäck lassen wir noch bei ihm und machen uns locker leicht und gutgelaunt auf zur turkmenischen Botschaft, um das letzte Visum anzuholen. "Inshallah" sage ich noch und wir machen uns auf den Weg. Eine kleine Menschenmenge steht schon an. Vor uns sind 3 Franzosen und ein Schweizer. Durch das kleine Fenster reichen sie ihre Papiere. Wir scherzen ein bisschen herum und sagen, falls das mit dem Visum nichts würde, dann gehen wir einfach zur afghanischen Botschaft, die direkt daneben ist, und fragen dort an. Pässe werden rausgereicht. Nun sind wir an der Reihe. Papiere durchs Fenster und warten. Nach nicht einmal zwei Minuten erscheinen unsere Papiere wieder in dem Fenster, mit den freundlichen Worten "Visa refused".

 

Wieso, weshalb, warum? Keine Antwort. Das ist die Willkür, das Roulette-Spiel Turkmenistans. Auch die beiden Belgier nach uns haben Pech "Visa refused". Waaas?

Wir stehen kurz vor der Grenze, haben die Visa für alle folgenden Länder, haben Wochen und viel Geld für diesen ganzen Beantragungsscheiß gebraucht und nun dürfen wir nicht weiter? Hinzu kommt, dass unser Iran Visum am nächsten Tag abläuft. Der Supergau also. Eine der Worst-Case Situationen ist eingetreten. Der Weg Richtung Osten ist versperrt.

Was nun?

Bevor wir uns überhaupt über die Konsequenz und das Ausmaß klar werden können heißt es erst einmal Visum verlängern. Also ab zur Polizeistation und dort Druck machen - nicht, dass wir wieder mehrere Tage auf irgendein Papier warten müssen. Ein unglaublich freundlicher iranischer Soldat hilft uns durch den Bürokratiekram, geht mit uns von Papierstation zu Papierstation und nach 4 Stunden haben wir weitere 10 Tage Zeit im Iran.

 

Jetzt die Situation erst einmal sacken lassen und dann müssen wir überlegen, was unsere Optionen sind. Wir setzten uns vor die Karte, rechnen Tage und Kilometer und uns wird klar, dass die Reise sich nun stark verändern wird.

 

Im Zeitplan sind wir dank des Visumkrams schon lange nicht mehr und jetzt sieht alles danach aus, dass wir einen Umweg von 4500 km in Kauf nehmen müssen. Wir müssen den ganzen Weg zurückfahren. Zurück nach Armenien. Zurück nach Georgien, wo ich vor 1,5 Monaten gestartet bin. Ein schrecklicher Gedanke. Und nicht nur das. Von Georgien geht es nach Russland. Das heißt, die erste von unseren beiden Russlandeinreisen wird verbraucht und somit schließen sich die Türen in die Mongolei. Wir werden nicht in die Mongolei fahren können. Ein sehr harter Schlag. Zudem kommt, dass wir die ganze Zeit hetzten müssen. Kilometer fressen. Nichts mit die Welt ansehen. Strecke machen. Hasten. Denn unser Usbekistan Visum läuft schon seit einigen Tagen. Das selbe gilt für Tajikistan. Eine Reise, in der man nur an allem vorbeirasen muss? So hatten wir uns das nicht vorgestellt.

 

Und auf einmal taucht da die verführerisch kurze Strecke durch Afghanistan nach Usbekistan auf. Im Vergleich zu dem Umweg um das kaspische Meer eine winzig kleine Strecke. Sollte es möglich sein?

Am nächsten Tag treffen wir Holger, den wir schon gut aus Tehran kennen und mit dem wir schon viele gemeinsame Beamtengänge gemeistert hatten. Auch er will sein Turkmenistanvisum hier abholen. Wir begleiten ihn zur Botschaft. Im Hinterkopf haben wir die Idee, dass er, falls er das Visum bekommen sollte, mit Thomis Mopped durch Turkmenistan fahren und wir nach Usbekistan fliegen könnten. Ganz abgeneigt schien er gegenüber dieser verrückten Idee nicht. Doch wie befürchtet heißt es auch für ihn "Visa refused".

 

Und ehe wir uns versehen stehen wir Drei ein Haus weiter, vor der afghanischen Botschaft. Nur so - um uns mal zu informieren...dort erfahren wir, dass ein Visum nur in Tehran beantragt werden kann. Na gut. Vielleicht besser so.

 

Zu dritt machen wir uns an Alternativ-Pläne. Flugzeug? Mit Motorrad nicht wirklich machbar. Eine Fähre? Gibt es vom Iran aus nicht. Die Fähre in Azabaijan? Geht nicht. Die Fähre dort fährt nur sehr unregelmäßig und manchmal muss man bis zu zwei Wochen warten. Die Zeit haben wir nicht. Außerdem müssten wir hierfür erst noch ein Visum beantragen, was eine weitere Woche in Anspruch nehmen würde. Zudem sind wir bereits durch Armenien gereist  und das sehen die Azabaijaner nicht so gern. Und wieder taucht da die gerade mal 900 km kurze Strecke durch Afghanistan auf. 2 Tage. Wir recherchieren. Es gibt immer wieder Leute, die durch Afghanistan reisen. Wir lesen Forumeinträge. Schreiben Couchsurfingadressen in Afghanistan an. Fragen nach der aktuellen Situation. Berechnen Distanzen zwischen den Städten. Von der Grenze aus müssten wir bis nach Herat kommen. Laut eines Forumberichts eines Motorradreisenden wird man von der Grenze aus dorthin eskortiert. Dort eine Nacht schlafen und dann nach Maza i Sharif. Im Scherz liebäugeln wir mit der Vorstellung, mit den dort stationierten Bundeswehrsoldeten ein kühles Rothaus, was dort angeblich Hausmarke ist, zu trinken. Wir treffen uns mit einem Iraner, der schon durch Afghanistan gereist ist und der uns nur Gutes berichtet. Alle Ängste seien umsonst. Er habe nie Probleme gehabt. Im Gegenteil.

Aber er ist Iraner, unterscheidet sich äußerlich also nicht sehr von den Afghanen. Und er spricht Farsi. Das ist doch etwas anderes, oder? Oder nicht? Kann man durch Afghanistan reisen oder nicht? Aus den Forenberichten können wir nicht richtig schlau werden, da es von Begeisterung bis zu Abratung alles dabei ist.

Wir gehen auf die Seite der afghanischen Botschaft in Tehran und mit einem Blick auf die Öffnungszeiten wird uns klar, wenn wir ein Visum haben wollen, müssen wir uns heute noch auf den Weg machen und das so schnell wie möglich. Es ist Dienstag, bereits später Nachmittag. Donnerstag und Freitag ist die Botschaft geschlossen. Morgen schließt die Botschaft um 11.00 Uhr. Ohne groß weiter zu überlegen packen wir das nötigste zusammen und nehmen den nächsten Bus Richtung Tehran. 900 Kilometer zurück. 14 Stunden Fahrt. 14 Stunden, um weiter zu überlegen und Informationen zu sammeln. Wir sind wie im Wahn. Ist es überhaupt möglich die Situation außerhalb des Landes richtig einschätzen zu können? Und inwiefern schätzt man sie falsch ein? Ist man zu ängstlich, hat man zu viele Vorurteile, malt man den Teufel an die Wand? Stimmt das Bild aus den Medien?  Oder lassen wir uns durch Reiseberichte anderer verführen, die angstfreier sind, die vielleicht einfach nur Glück hatten und zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren.

In Tehran angekommen setzen wir uns in die Metro und fahren zur afghanischen Botschaft, Adresse: 4th Dead End Street  - kein Scherz. Anders als bei allen anderen Visastellen ist hier ausnahmsweise einmal kein Andrang. Hier trifft man keine anderen Reisende mit denen man sich austauschen kann. Was denken wohl die Beamten hier über uns? Deutsche, die nach Afghanistan reisen wollen. Und dann Thomis Bart. Immer wieder wird er im Scherz angesprochen, ob er Taliban oder Daisch sei. Denkt der Mann dort hinter der Glasscheibe, wir könnten Terroristen sein? Laufen die Leitungen der Geheimdienste schon heiß, weil sie mitbekommen, dass da drei Deutsche ein Afghanistanvisum haben wollen? Wir füllen den Antrag aus und reichen die Papiere ein. "Health Insurance", sagt der Mann hinter der Glasscheibe. Verdammt. In der Eile haben wir vergessen die Papiere der Auslandversicherung mitzunehmen. Und jetzt? Was wir dabei haben sind unsere Impfpässe. Könnte das funktionieren? Wir machen Kopien von der Frontseite und kopieren zusätzlich noch eine willkürliche Seite aus meinem Impfpass für Holger, der keine Papiere dabei hat und geben alles dem Beamten. Er scheint zu akzeptieren. Woher soll ein afghanischer Beamter auch wissen, wie solche Papiere aussehen. In drei Stunden können wir unser Visum abholen. In der Botschaft treffen wir einen Afghanen, dem wir unser Vorhaben erzählen und ihn nach der Sicherheit der Strassen fragen. Der Osten Afghanistans sei sicher. Die Strassen seien kein Problem, meint er. Doch als wir ihm sagen, dass wir mit dem Motorrad bzw. Fahrrad fahren wollen, sagt er, wir seien verrückt. Das könne man nicht machen. Die Taliban werden uns von den Hügeln aus abschießen, wenn sie uns sehen. Nur in einem Truck, versteckt vor den Augen der Taliban können wir da durch fahren. Auch hier wieder eine Information, mit der sich nicht viel anfangen lässt. Wie kann man in einem Satz sagen, die Strassen seien sicher aber man könnte erschossen werden? Was ist das nur für ein Land?

Emotional geht es auf und ab. Mit Scherzen in denen wir Maschad als Gondor, Maza i Sharif als Mordor und uns als Gefährten bezeichnen, die sich vom Auge nicht sehen lassen dürfen, versuchen wir uns bei Laune zu halten. Und es gibt Momente in denen wir sagen, das wird schon klappen, Augen zu und durch, es sind ja nur zwei Tage. Und wurden wir nicht schon so oft an den Grenzen vor dem nächsten Land gewarnt. Da könne man nicht durchfahren. Denen sei nicht zu trauen, dort sei es gefährlich. Die Wartezeit verbringen wir im Internetcafe und dürfen einen Spiegelbericht lesen, in dem von 20 Toten vor drei Tagen im Land berichtet wird. Aber das war im Südwesten des Landes. Wir wollen doch durch den Osten. Der ist doch sicher(er), oder?

Wir holen das Visum ab. Zurück zur Busstation. Zurück nach Mashad. Wieder 14 Stunden Fahrt. 14 Stunden Zeit sich die Situation vorzustellen, wie wir durch Afghanistan reisen. Wie wir einen Truckfahrer finden müssen, dem wir vertrauen und der uns nicht den Taliban ausliefert. Eine Fahrt, in der wir uns in einem Truck verstecken müssen, in der ständigen Hoffnung nicht in eine Talibankontrolle zu geraten. Machen das unsere Nerven mit? Meine sind ehrlich gesagt bei diesen Gedanken jetzt schon am Ende. Thomi und ich geben uns das Versprechen, dass wir nicht einreisen werden, wenn wir nicht vorher, von Mashad aus alles organisiert bekommen.

In Mashad angekommen gehen wir zurück zu Mahmmut und gönnen uns ein paar Stunden Schlaf. Als wir wieder wach sind bring er uns zu einem Parkplatz, auf dem viele afghanische Truckfahrer rasten. Hier wollen wir unsere letzen Informationen einholen, bevor wir eine Entscheidung treffen wollen.

Die Truckfahrer bestätigen uns, dass die Strasse bis Herat sicher ist. Doch was nach Herat passiert, können sie nicht sagen. Da sei es unsicher. So unsicher, dass sie selbst nicht dort fahren. Die Situation, wann welches Dorf in den Händen der Taliban sei, ändere sich täglich. Selbst wenn wir uns unsichtbar machen und in einem Truck mitfahren würden, sei nicht für Sicherheit gesorgt. Einer erzählt, dass der Truck eines Kollegen letzte Woche von den Taliban gestoppt und abgebrannt wurde.

 

Jetzt ist es für uns klar. Da können noch so viele geglückte Reiseberichte im Internet stehen. Dieses Risiko werden wir nicht eingehen. Wenn es selbst für die Einheimischen dort zu gefährlich ist, dann ist das definitiv kein Ort für Reisende. Wir werden den Umweg nehmen, werden rund um das kaspische Meer fahren. Turkmenistan, du kannst uns nicht stoppen.

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Kommentare: 2
  • #1

    Stefan (Samstag, 22 August 2015 20:14)

    könnt froh sein dass ihr euch dagegen entschieden habt sonst hätte ich meinen Urlaub unterbrechen müssen um euch in den Allerwertesten zu treten

  • #2

    isabelle C. (Sonntag, 23 August 2015 16:14)

    Wow, dass sind ja Abenteuer. Ich wünsche Euch eine gut Weiterreise und freue mich auf den nächsten Reisebericht.